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Reboot Workshop - möge das Mojo mit euch sein

Reboot Workshop - möge das Mojo mit euch sein

2020 war für mich in vielerlei Hinsicht ein besonderes Jahr – und nicht unbedingt nur im positiven Sinn. Wie ich schon in meinen Artikeln „Das Jahr des Postponed“ und „My personal Lockdown“ beschrieben habe, hat sich vieles verschoben, geändert, ja sogar komplett aufgelöst. Trainingspläne? Durcheinander. Wettkämpfe? Abgesagt. Struktur? Nur noch ein Wort aus besseren Zeiten. Und doch – oder vielleicht gerade deshalb – habe ich diese Zeit genutzt, um mich auf eine ganz andere „Spielwiese“ zu begeben, die ich sonst vermutlich viel später oder gar nicht betreten hätte: der bewussten Arbeit an meinem Energiestoffwechsel, an Regeneration und an Routinen, die nicht von äußeren Terminen abhängen, sondern von mir.

Schon der Einstieg in dieses Jahr fühlte sich an wie ein langer Ausatmer, der partout nicht in einen befreiten Einatmer übergehen wollte. Die Tage waren gleichzeitig zu kurz und zu lang; zu wenig zu tun und zu viel zu verarbeiten. Ich stand morgens auf, trank den obligatorischen Kaffee, spürte das kurze Hoch – und landete zu oft gegen Mittag in einer energetischen Delle, die mit noch einem Kaffee und noch einer Kleinigkeit nie ganz verschwand. Dass parallel der Sport – mein roter Faden – nur in reduzierter Form stattfand, machte die Sache nicht besser. Also habe ich etwas getan, was mir normalerweise schwerfällt: Ich habe angehalten und ehrlich hingeschaut, statt bloß schneller zu werden.

Genau da kamen alte Gespräche mit Gerrit Keferstein wieder hoch, dem ärztlichen Leiter des Mojo Instituts in Hennef. Wir hatten zuvor schon über Mikronährstoffe gesprochen, über Lücken, die sich selbst bei „ganz guter“ Ernährung einschleichen, und über das Zusammenspiel von Belastung und Reparatur, das im Ausdauerbereich so fein austariert sein will. Im Mojo Motion waren nach meiner Knie-OP ohnehin ein paar Fäden zusammengekommen: Physiotherapie, motorische Optimierung, die stetige Suche nach „ein Prozent mehr Bewegungsqualität“. Und als mir dann der „Reboot Workshop“ begegnete – drei Monate, kleine Gruppe, zweibahnige Arbeit an Energie: Training und Regeneration gleichberechtigt – hat mich etwas in mir gesagt: Probier das.

Auf der Suche nach mehr Energie – und nach einer neuen Art von Struktur

Energie ist, nüchtern betrachtet, ein Mix aus Biochemie, Verhalten und Kontext. In der Praxis ist es aber vor allem ein Gefühl: Bin ich morgens da? Trage ich mich konzentriert durch den Vormittag? Komme ich am Nachmittag noch einmal in einen produktiven, wachen Zustand – oder „verbrate“ ich mich im Zickzack aus Zucker, Koffein und Mini-Dopaminkicks? Im Sport sehe ich Energie oft durch die Brille von Watt, Pace und Herzfrequenz; im Alltag ist sie diffuser, aber nicht weniger real. Ich wollte beides zusammenbringen: das Messbare und das Spürbare.

Der Reboot Workshop startete genau dort. Die Idee: zweimal pro Woche treffen, jeweils mit einem klaren Bogen aus Ankommen, Aktivierung, Spitzenreiz, Entspannung – und dazu eine dritte Säule, die mich besonders gereizt hat: personalisierte Ernährung inklusive Blutzucker-Tracking. Nicht als Kontrollzwang, sondern als Feedback-Schleife. Kein „Du musst“, sondern ein „Schau mal hin, wie es bei dir ist“. Das klang nach Verantwortung statt Dogma – und so habe ich zugesagt.

Der Rahmen – drei Monate, zwei feste Termine, ein roter Faden

Die erste Einheit war ein Kickoff. Keine PowerPoint-Orgie, sondern eine ruhige, aufmerksame Einführung: Was wollen wir erreichen? Was können wir messen? Woran merken wir den Unterschied? Es ging nicht um spektakuläre Vorher-Nachher-Bilder, sondern um feines Justieren. Und dann ging es los – immer nach demselben Bogen, der überraschend viel Halt gegeben hat:

Achtsamkeit und Atemtechnik:
Wir haben jede Einheit mit Ankommen begonnen. Nicht bloß „kurz hinsetzen“, sondern tatsächlich ankommen. Barfuß im Garten, auf der Wiese; die Zehen im Gras, der Rücken in der Luft, der Atem spürbar. Ein paar einfache Protokolle, die schnell vertraut wurden: Box Breathing (4–4–4–4), der physiologische Seufzer (zwei kurze Einatmer, ein langer Ausatmer), verlängerte Ausatmungen. Nichts Esoterisches, eher handwerklich. Nach drei, vier Terminen passierte etwas Merkwürdiges: Dieses Ankommen wurde zu einer Art Schalter. Ich kann seitdem auch zu Hause – zwischen Laptop und Waschmaschine – mit fünf bewussten Atemzügen die Lautstärke in mir senken.

Yoga-Flow und Warm-up:
Kein Zirkus, keine Instagram-Posen, sondern sich öffnen, rotieren, die Hüfte wecken, die Schultern freimachen, den Rücken sortieren. Fünfzehn Minuten, in denen Gelenke nicht nur „auf Temperatur“ kommen, sondern auch in Ordnung. Ich habe gemerkt: Wenn ich nach diesen Flows in den intensiven Teil gehe, fühlt es sich an, als hätten meine Bewegungen mehr „Platz“.

HIT – 20 bis 25 Minuten ohne Alibi:
Das Herzstück. Manchmal Tabata-artig, manchmal EMOM (every minute on the minute), manchmal pyramidal. Keine Gerätehalle, sondern Körper, Kettlebell, kleine Tools, vor allem aber Struktur: kurz, dicht, fokussiert. Jede Woche eine Nuance mehr Intensität, nicht als heroischer Sprung, sondern als leiser Zuwachs. Es gab Sätze, in denen die Beine brannten, und Tage, an denen die Lunge mir klar gemacht hat, wie sehr sie Wachheit mag. Und trotzdem – oder deshalb – bin ich nie „abgebrannt“ nach Hause gegangen, sondern wach.

Entspannung und Absenken:
Zum Schluss die Kurve nach unten. Meditative Musik, sehr ruhige Atemphasen, progressive Muskelentspannung. Kein „Powernap“, sondern ein bewusstes Zurückschalten. Diese zehn bis fünfzehn Minuten haben die Einheit rund gemacht. Ich habe erst im Tun verstanden, wie sehr mein Körper es mag, wenn ein Reiz abgeschlossen wird, statt einfach im Alltag zu versickern.

Kälte und Licht – zwei überraschend starke Hebel

Kryotherapie war für mich das spannendste Kapitel. -95 °C in einer Kältekammer klingen martialisch, sind es aber nicht. Nach dem ersten Schreck, den allein der Gedanke auslöst, bleibt die Erfahrung zurück: Die Luft ist trocken, der Atem ruhig, der Körper hellwach. Drei Minuten sind der Rahmen, vier bis fünf fühlten sich für mich ideal an. Vor der Einheit war das wie ein sauberes „Aufwecken“ – die Gefäße machen zu, die Durchblutung wird danach umso kräftiger, der Kopf ist da. Nach der Einheit wiederum fühlte es sich an wie ein Reset: weniger „Restlärm“ in den Muskeln, weniger diffuse Schwere. Ich habe Kälte bislang als „nett, aber optional“ betrachtet. In dieser Dichte eingesetzt wurde sie zu einem echten Werkzeug. Der Clou: Nicht jeden Tag, nicht aus Prinzip, sondern passend gesetzt.

Brainlight klang anfangs nach Wellness-Spielerei. Kopfhörer, Stimme, Musik, LED-Brille – okay. Tatsächlich hat mich die Kombination aus Audio- und Lichtimpulsen in Zustände gebracht, die ich sonst nur vom „Wegdösen“ nach intensiven Tagen kenne, nur eben kontrolliert und erfrischt statt benommen. Der Massagestuhl war nett, aber der Effekt lag in der Synchronisierung: Der Körper bekommt die Erlaubnis, den Ton runterzudrehen. Ich war skeptisch. Ich bin es nicht mehr.

Ernährung, die nicht „perfekt“ sein will, sondern passend

Die Ernährungsberatung war keine Litanei aus Verboten, sondern eine Landkarte: Wo bekomme ich Energie her? Wann ist sie zu schnell, wann zu langsam? Welche Bausteine sind für mich tragfähig, welche führen mich in die Falle der „schnellen Korrekturen“? In den Gruppenterminen gab es Prinzipien; in den Einzelcoachings wurde es persönlich. Da haben wir über Proteintiming gesprochen (gerade an harten Tagen früher und klarer), über Kohlenhydrate, die tragen, statt zu zünden und abzustürzen, über Fette als Moderator statt Hauptdarsteller, über Elektrolyte, die ich im Kopf habe, aber im Alltag doch vergesse.

Das Blutzucker-Tracking mit einem Sensor am Oberarm war die unerwartete Lieblingsübung. Nicht, weil ich plötzlich alles „tracken“ wollte, sondern weil ich eine Rückmeldung bekam, die nicht verhandelt. Ich habe gesehen, wie mein Morgen ausfällt, wenn ich nur Kaffee trinke und losrenn’ – Spoiler: besser als gedacht, aber nicht so stabil wie mit einem kleinen, gut platzierten Frühstück. Ich habe gemerkt, dass mein „gesunder“ Nachmittagssnack eigentlich eine kleine Achterbahn ist, wenn die Portion danebenliegt. Und ich habe verstanden, dass mein Körper sehr gut auf eine Kombination aus Protein + moderaten Kohlenhydraten + ein bisschen Fett reagiert – genau der Mix, den ich theoretisch kenne, der sich praktisch aber nur dann zeigt, wenn ich rechtzeitig esse und nicht zu spät. Der Sensor hat nicht diktiert; er hat gespiegelt. Und das genügte.

Die Gruppe – leise Power im Hintergrund

Ich bin nicht der Typ, der in Gruppen automatisch aufblüht. Hier hat es funktioniert, weil es kein Leistungstheater gab. Alle kamen aus unterschiedlichen Richtungen, alle hatten andere Baustellen, aber die Schnittmenge war klar: Energie. Diese gemeinsame Überschrift schweißt leise zusammen. Kleine Beobachtung: Wenn man zweimal pro Woche barfuß auf einer Wiese atmet, verliert man schnell die Lust auf Posen. Es wurde gelacht, geschwitzt, manchmal geflucht, nie verglichen. Das hat mehr bewirkt, als man in einem Trainingsplan abbilden kann.

Zwischenbilanz nach zwei Dritteln – kleinteilig, aber spürbar

Wenn ich einen Effekt spektakulär nennen müsste, wäre das gelogen. Was ich spüre, ist Kleinteiligkeit: ein ruhigerer Grundpegel, weniger Bedürfnis nach „Notfall-Kaffee“, mehr Klarheit in den Stunden nach der Einheit, bessere Schläfrigkeit am Abend (nicht Müdigkeit, sondern die Fähigkeit, schlafen zu wollen), ein konstanterer Morgenpuls, der nicht Weltrekorde feiert, aber gelassener wirkt. Intervallfasten, Mikronährstoffe, all das war nicht neu – neu war die Kombination: Atemtechnik + Flow + kurzer, scharfer Reiz + echtes Absenken + Kälte + Ernährung mit Feedback. Das schließt Kreise, statt Baustellen zu eröffnen.

Was sich in den Alltag übersetzt – und was (noch) nicht

Übernommen habe ich feste Mikro-Rituale: drei Minuten Atmen vor harten Einheiten; zehn Minuten Dehnen/Flow statt doomscrolling am Abend; zwei kurze Kälte-Dosen pro Woche (wenn keine Kammer da ist: kalte Dusche, gezielt). Ich esse früher nach intensiven Sessions und einfacher abends. Ich arbeite bewusster mit Salz, wenn die Woche heiß oder schwitzig ist. Ich baue zweimal pro Woche ein HIT-Fenster von 20 Minuten ein – selbst dann, wenn die Umfänge sonst hoch sind; nicht als Belastungsmonster, sondern als Wachheitsgeber. Und ich plane wieder Ruhetage, die den Namen verdienen: nicht Sisyphus-Aufräumen, sondern Platz für Regeneration.

Was noch nicht fliegt: jeden Tag Meditation „aus Prinzip“. Ich will ehrlich bleiben. Es gibt Tage, da gelingt das wunderbar. Es gibt Tage, da ist der Kopf zu voll. Ich habe gelernt, mich dann nicht zu verklagen, sondern den nächstkleinen Hebel zu nehmen: Atem statt 20 Minuten Stille. Das ist okay.

Ein paar konkrete Bilder – damit es nicht theoretisch bleibt

Der Garten, nasses Gras, die Wiese kalt, der Himmel klar. Ich atme vier Sekunden ein, halte vier, atme vier aus, halte vier. Beim dritten Zyklus wird die Luft anders. Kein Feuerwerk, nur leiser. Später in der Kältekammer: diese knisternde Stille, das Bewusstsein für Haut und Atmung. Ich denke an nichts Besonderes und an alles zugleich, und das ist – zu meiner Überraschung – angenehm. Danach der HIT-Block: kurze, knappe Sätze, die Beine übersäuern kurz, der Puls schiebt, die Zeit ist dicht. Dann wieder runterfahren, der Herzschlag wird rund, der Kopf wird weich. Zuhause später: Einfache Mahlzeit, nicht als Belohnung, sondern als Baustein. Und am Abend – ohne Drama – ein Buch statt Bildschirm. Das ist kein Superhelden-Film. Es ist das Leben mit ein paar präzisen Hebeln.

Was die funktionelle Medizin für mich bedeutet – ohne Heiligenschein

Funktionelle Medizin ist ein großes Wort, das vieles erschlägt. Für mich übersetzt es sich in: Was braucht mein System, um in seiner Umwelt gut zu funktionieren? Keine Patentrezepte, sondern Hypothesen, die man testet. Im Reboot-Kontext hieß das: Wir schauen auf Schlaf, auf Stress, auf Blutwerte, auf Mikronährstoffe, auf Bewegungsmuster, auf Ernährung. Wir ändern eine Sache, beobachten, passen an. Das braucht Geduld. Und das ist vielleicht die größte Lehre dieser Monate: Geduld ist ein Trainingsreiz.

Stolpersteine – und wie ich darübersteige

Natürlich gab es Tage, an denen ich keine Lust hatte, barfuß zu sein, in die Kälte zu gehen, noch eine Wiederholung zu machen. Es gab Einheiten, die ich unterschätzt habe und Abende, an denen ich zu spät gegessen habe. Es gab kurze Nächte. Der Unterschied: Ich habe nicht den ganzen Plan infrage gestellt, sondern die eine Sache am nächsten Tag wieder klein angefasst. Das ist keine Romantisierung von Disziplin, sondern eine Anerkennung von Realität. Der Workshop hat mir dabei geholfen, zwischen Plan und Prinzip zu unterscheiden. Der Plan darf fallen; das Prinzip bleibt.

Messpunkte – soweit sinnvoll

Ich habe nicht alles getrackt. Einige Marker aber schon, und sie waren nützlich: Ruhepuls (morgens, 3-Mittelwert), gefühlte Belastbarkeit (eine simple Skala von 1–10), Schlafdauer (kein Gadget, nur ehrlich notiert), Zeit bis zur ersten sinnvollen Mahlzeit nach intensiven Sessions. Nichts davon beweist eine Kausalität, aber zusammen zeigt es Trends. Der Trend war gut.

Was geblieben ist – über den Workshop hinaus

Drei Bestandteile haben sich eingebrannt:

  1. Atmen ist Training. Nicht im Sinne eines Workouts, sondern als Werkzeug. Drei Minuten können einen Tag neu justieren.
  2. Kälte ist ein Verstärker. Nicht jeden Tag, nicht als Heldentat, sondern klug dosiert.
  3. Essen als Timing. Nicht „sauber“, nicht „perfekt“, sondern passend. Früh genug, einfach genug, ehrlich genug.

Und noch etwas: Gruppenenergie ist kein Mythos. Die stillen Absprachen, die Blicke vor einem Satz, das kurze Nicken nach einer letzten Wiederholung – das trägt. Selbst für jemanden wie mich, der den Sport gerne allein erlebt.

Mein Fazit – Investition statt Wunder

Der Reboot Workshop im Mojo Institut ist keine Zauberei. Er ist eine Investition – Zeit, Aufmerksamkeit, ein bisschen Mut, ein paar Euro. Dafür bekommt man keinen Stempel, aber Werkzeuge. Man lernt, wie man an den eigenen Reglern drehen kann, ohne das System zu übersteuern. Man bekommt Struktur, wenn außen herum gerade wenig Struktur da ist. Man lernt, Spannungen bewusst aufzubauen – und genauso bewusst abzubauen. Und man spürt, dass Energie kein Zustand ist, den man „hat“ oder „nicht hat“, sondern ein Prozess, den man mitgestalten kann.

Ich empfehle den Workshop jedem, der nicht auf den nächsten perfekten Trainingsblock oder den nächsten Kalender wartet, um „richtig loszulegen“, sondern jetzt – mitten in Unordnung – neue Stabilität bauen will. Für den Sport, ja. Aber vor allem für den Alltag zwischen den Einheiten. Ich habe in diesen Monaten weniger gelernt, schneller zu werden, und mehr gelernt, verfügbar zu sein: für Training, Arbeit, Menschen. Vielleicht ist das die beste Definition von Energie, die ich kenne.

Und wenn ich an 2020 zurückdenke, bleibt neben all den Verschiebungen dieser Gedanke: Manchmal sind die Jahre, die uns die Pläne nehmen, die Jahre, die uns Werkzeuge geben. Der Reboot war kein lauter Neustart. Er war ein leises, gründliches Weiter – mit mehr Bewusstsein, besserem Atem, klügerem Timing und der Gelassenheit, die entsteht, wenn man weiß, wie man sich selbst in die Spur bringt.


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