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My personal lockdown

my personal lockdown 2020

Es war kein lauter Moment, kein Stolpern, kein falscher Schritt. Es war nur dieses kleine, unscheinbare Zwicken im rechten Knie. So etwas, das man als Ausdauerathlet automatisch in die „Wird-schon-weggehen“-Schublade legt. Ein bisschen Schonung, eine Nacht Schlaf, vielleicht zwei — fertig. Ich dachte an Überlastung, an einen etwas zu ambitionierten Block, an einen Tag mit zu wenig Mobilisation. Das Übliche. Aber dieses Zwicken blieb, und es hatte eine merkwürdige Eigenart: Es kam nicht bei den Belastungen, bei denen ich es erwartet hätte. Lange Läufe? Kein Problem. Intervalle? Möglich, auch wenn ich innerlich vorsichtiger wurde. Stattdessen meldete sich das Knie ausgerechnet bei dem, was mich eigentlich schützen sollte: dem Athletiktraining.

Die Standwaage, sonst eine meiner Lieblingsübungen, traf es besonders. Gewicht auf einem Bein, das freie Bein nach hinten, Oberkörper nach vorn, Arme in die Horizontale — Stabilität pur, wenn alles stimmt. Wenn aber etwas nicht stimmt, legt die Übung die Schwachstelle gnadenlos frei. Mit jedem Versuch wurde das Zwicken klarer, es bekam eine Richtung, eine Tiefe. Ich konnte nicht mehr „dran vorbeitrainieren“.

Selbsttherapie, die nicht greift

Bevor ich einen Arzttermin mache, versuche ich immer, die einfachen Stellschrauben zu drehen. Weniger Impact, mehr Mobility, konsequente Blackroll-Routine, vorsichtige Dehnung, Schlaf priorisieren, ein, zwei Tage komplett rausnehmen. Ich reduzierte die Läufe, schob mehr Rad auf der Rolle ein, strich Sprünge und Rotationen aus den Stabi-Sequenzen und hörte in jede Kleinigkeit hinein: Wie fühlt sich das Treppabgehen an? Was macht das Knie, wenn ich aus dem Auto steige? Zieht es beim Sitzen? Knackt es beim Aufstehen? Es ist absurd, wie schnell man Detektiv im eigenen Körper wird, wenn ein kleines Gelenk die gesamte Tagesarchitektur bestimmt.

Nach zwei Wochen war klar: Das wird so nicht. Es war keine dieser Beschwerden, die einfach verschwindet, wenn man sie ignoriert. Also Termin beim Orthopäden.

Erste Diagnose-Etappe: viel Ausschluss, wenig Ergebnis

Der Orthopäde meines Vertrauens ließ nichts aus: Anamnese, Palpation, Funktions- und Provokationstests, Ultraschall. Die Klassiker. Und dann dieser Satz, der zugleich tröstlich und frustrierend ist: „Ich sehe da im Moment nichts Eindeutiges.“ Tröstlich, weil offenbar nichts offensichtlich kaputt war. Frustrierend, weil Unklarheit immer zermürbt. Also der nächste Schritt: Röntgen, 3D-Hüftanalyse, MRT, und wenn alles vorliegt, ein erneutes Gespräch.

Das Röntgen war erwartbar unspektakulär. Knochen sind Knochen; wenn kein Bruch oder deutliche Arthrose da ist, bleibt das Bild brav. Die 3D-Hüftanalyse fand ich unerwartet spannend, obwohl ich nicht die Lösung meines Problems davon erhoffte. Unterwäsche, zwei höhenverstellbare Podeste, ein Punktraster-Laser, eine Kamera. Millimeterweise rauf und runter, Stand variieren, Becken prüfen, Wirbelsäule vermessen. Ergebnis: etwa vier Millimeter Differenz — nichts Außergewöhnliches, aber etwas, das man mit Einlagen adressieren kann. Ein Detail, eine Randnotiz, aber noch keine Ursache.

MRT: „Das gehört hier nicht hin“

Dann das MRT. Kopfhörer, Röhre, dieses schlagende, wummernde, metallische Konzert, das man nur einmal vergisst, wenn man es erlebt hat. Nach der Aufnahme das Gespräch mit der Radiologin. Kaum hatte sie die Bilder geladen, kam der Satz, der hängen blieb: „Das gehört hier nicht hin.“ Es ist faszinierend, wie klar manche Dinge werden, wenn man sie sieht. Selbst für mich als Laien war auf der Aufnahme diese große, helle Stelle erkennbar: eine Entzündung. Genauer gesagt zwei Areale, eines davon deutlich größer. Der Befund auf dem Arztbrief nannte die Dinge: vergrößerte Plica mediopatellaris, also eine Schleimhautfalte, die zu groß ist und bei Bewegung reibt, plus eine kleine Zyste. Keine exotische Diagnose, aber eine, die man ernst nehmen muss.

Drei Tage später saß ich wieder beim Orthopäden. Er hatte sich die Bilder in Ruhe angesehen, nickte und schrieb die Überweisung ins Krankenhaus. „Das muss raus, sonst hält die Reizung an.“ Kein Drama in seiner Stimme, kein Alarmismus — nur Konsequenz. „Details klären Sie im Krankenhaus, aber das ist eine Routine-OP.“

Vorgespräch im Krankenhaus: nüchterne Klarheit

Der Termin beim Professor war eine Mischung aus Fachlichkeit und Pragmatismus. „Die Plica ist zu groß. Wir entfernen sie arthroskopisch. Die kleine Zyste nehmen wir mit, wenn wir schon drin sind. Sie werden danach ein paar Wochen Geduld brauchen, aber Ihre Prognose ist gut.“ Man wird plötzlich sehr konkret, wenn jemand mit ruhiger Stimme die nächsten Wochen beschreibt: Narkose, zwei kleine Zugänge, Gelenkspülung, Resektion der Schleimhautfalte, eventuell Glättung, Spülung, Abschluss. Danach Hochlagern, Kühlen, Mobilisieren, Physiotherapie, Geduld. Ich wusste, was zu tun war. Und dann kam der Anruf.

Corona: Termin abgesagt, Nerven auf Pause

Einen Tag vor der OP. „Es tut uns leid, wir müssen den Termin verschieben.“ Die Pandemie hatte die Kliniklogistik überrollt, elektive Eingriffe wurden zum Schutz aller reduziert. Es war diese merkwürdige Mischung aus Erleichterung und Frust: Erleichterung, weil eine OP immer Respekt einflößt, Frust, weil man mental schon auf „loslassen und neu starten“ eingestellt ist. Ein neuer Termin: einen Monat später. Wieder warten, wieder auf Sparflamme durchs Training, wieder der tägliche Dialog mit dem Knie.

Zweiter Anlauf: Corona-Check-in und endlich los

Beim nächsten Termin war alles bis ins Detail organisiert. Separater Eingang, Gesundheitsfragebogen, Temperatur, SpO₂, Atemfrequenz. Eine Mischung aus Klinik und Flughafen, nur ohne Koffer. Dann Umkleiden in diese herrlich unprätentiöse OP-Mode, ein paar letzte Gespräche, eine freundliche Schwester stempelt die Zeit in meinen Tag, der Anästhesist erklärt das Propofol — und dann ist da ein Schnitt im Bewusstsein. Aufwachen im Recovery, benommen, schwer, aber erstaunlich schmerzarm. Zwei kleine Verbände, eine klare Ansage: „OP gut gelaufen.“

Der Operateur erzählte: Die Plica war tatsächlich vergrößert und mechanisch aktiv, man sah Reibespuren. Die Zyste wurde entfernt, der Gelenkraum gespült. Nichts Spektakuläres, aber alles Nötige getan.

Krankenhausnächte und das neue Normal

Die erste Nacht war die längste. Nicht weil die Schmerzen schlimm gewesen wären, eher weil alles neu war: die Schiene, die Schläuche, das Surren der Geräte, das Piepen irgendwo im Flur, die eigene Körperlage, die nur begrenzt verhandelbar ist. Ich war dankbar für das Team, dankbar für das sachliche „Es geht voran“, dankbar für jedes „Alles in Ordnung?“. Am zweiten Tag durfte ich an die Krücken. Drei Schritte, fünf Schritte, zehn. Es ist verrückt, wie groß kleine Dinge werden, wenn man sie sich zurückerobert.

Zuhause: R.I.C.E. und Routinen

Zuhause beginnt die eigentliche Arbeit. R.I.C.E. — Rest, Ice, Compression, Elevation — wird zur Tagesordnung. Ich entwickelte eine Routine: morgens Wundkontrolle, kurze passive Bewegungen, Kühlen, dann Frühstück im Stehen (Sitzen war anfangs unangenehm), später die erste Runde Physio-Übungen. Am Nachmittag ein kurzes Nickerchen, Lymphdrainage-Bewegungen, abends vorsichtige Mobilität, wieder Kühlen. Der Körper fordert, der Kopf bremst, die Disziplin hält die Balance.

Ich hatte noch die Worte des Operateurs im Ohr: „Das Knie ist nach der OP oft etwas zickig.“ Wir hatten offenbar unterschiedliche Vorstellungen von „etwas“. Ich hatte mir insgeheim ausgemalt, dass ich nach ein, zwei Wochen wenigstens „halbwegs normal“ gehe. Die Realität war langsamer, eigensinniger. Nach zwei Wochen konnte ich die Krücken streckenweise in der Ecke lassen, benutzte sie aber fürs Aufstehen und für längere Wege. Nach fünf Wochen war der Gang nicht mehr „achtzigjährig“, sondern wieder mein. Kein perfekter Schritt, aber einer, der nach vorn führte.

Physiotherapie: Millimeter, nicht Meilen

Physio ist die Stelle, an der Geduld zur Leistung wird. Anfangs sind die Fortschritte unsichtbar: fünf Grad mehr Beugung, einen Zentimeter mehr Streckung, die erste kontrollierte Endstrecke ohne Mitschmerz. Dann die „großen“ Meilensteine: das erste Mal Treppab, die erste volle Kniebeuge (noch nicht tief, aber vollständig kontrolliert), das erste Mal 20 Minuten auf dem Ergometer ohne Ziehen.

Wir arbeiteten in Etappen. Zuerst Mobilität, dann isometrische Kraft (Anspannung ohne Bewegung), dann vorsichtige dynamische Kraft. Der Quadrizeps meldete sich zurück, die Hüftabduktoren bekamen wieder Aufgabe, die Waden erinnerten mich daran, dass sie Teil der Kette sind. Propriozeption — das schöne Wort für „Ich weiß, wo mein Knie gerade ist“ — stand täglich auf dem Plan: Einbeinstand (zunächst mit festem Kontakt zur Lehne), Balance-Pad, schließlich leichte perturbations (kleine Störungen), um das Knie wieder „wach“ zu machen.

Es gab Rückschläge. Einmal übermütig eine Stufe zu schnell genommen — das Knie antwortete mit zwei Tagen Mehrschmerz. Ein anderes Mal die Blackroll zu motiviert eingesetzt und die Umgebung gereizt. Reha ist kein gerade verlaufender Graph, sondern eine Zickzack-Linie mit Trend nach oben.

Alltag mit Handicap: die kleinen Logistiken

Man lernt, wie hoch ein Bordstein ist, wenn man ihn nicht „einfach so“ nimmt. Man lernt, wie man aus dem Auto aussteigt, ohne die Knieachse zu verdrehen. Man lernt, dass man Treppenstufen nicht zählt, bis man sie jedenfalls zählt. Ich räumte die Wohnung um: Dinge des täglichen Gebrauchs auf Hüfthöhe, nichts Wichtiges ganz unten oder ganz oben. Ich legte ein Handtuch neben das Bett, um nachts zu kühlen, ohne aufzustehen. Ich übte, auf dem Stuhl so zu sitzen, dass die Hüfte dem Knie hilft. Es sind Details — aber sie entscheiden, wie gut man durch die Wochen kommt.

Kopfkino: Wenn das Knie im Kopf wohnt

Eine Verletzung trennt einen nicht nur vom Sport, sie verschiebt den inneren Kompass. Training strukturiert den Tag, gibt Ziele, sorgt für Flow, für Endorphine, für soziale Kontakte. Fällt das weg, muss man den Kopf aktiv beschäftigen, sonst füllt die Sorge den Raum. Ich habe angefangen, ein kleines Reha-Tagebuch zu führen: Datum, Schlaf, Schmerzskala (morgens/abends), Übungen, subjektives Gefühl. Nüchtern betrachtet war das nur eine Tabelle; in der Praxis war es ein Anker. An schlechten Tagen sah ich, dass ich vor zwei Wochen noch hier war und heute dort. Das half, dem Perfektionisten in mir die Stirn zu bieten.

Ich erlaubte mir kleine, kontrollierte Freuden: ein gutes Buch, ein Gespräch mit einem Freund, der schon mal eine Plica-OP gehabt hatte (alleine dieser eine Satz „Das wird wieder“ ist Gold), Musik, die mich beruhigt. Und ja, ich habe auch die Momente zugelassen, in denen mich alles nervte. Regeneration ist kein Wettkampf im „Positivsein“.

Ernährung: Reparatur statt Raketenstart

Weniger Training heißt nicht weniger Bedarf an Qualität. Ich habe meine Kalorien moderat gesenkt, aber Protein hochgefahren — etwa 1,6–1,8 g pro Kilogramm Körpergewicht. Nicht weil das magisch wäre, sondern weil die Muskulatur in dieser Phase jede gute Baustofflieferung gebrauchen kann. Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D (nach Blutwert), Magnesium zum Schlafen, ausreichend Kalzium, bunte Teller für Antioxidantien. Ich habe mit Kollagenhydrolysat experimentiert — Evidenz ist gemischt, aber mir gefiel die Idee, die Grundstoffe bereitzustellen. Wichtig war weniger das Supplement, mehr die Konstanz: regelmäßig essen, ausreichend trinken (Dehydrierung ist stiller Gegner der Heilung), Kaffee als Genuss und nicht als Krücke, Alkohol runter (die Regeneration dankt).

Kleine Tools, großer Effekt

Ich wurde pragmatisch. Ein Kühlmanschetten-Set, das nicht tropft. Ein paar bequeme Kompressionsstrümpfe für lange Tage. Zwei Kissen, die das Hochlagern wirklich bequem machen. Eine starre, aber weiche Knieauflage für die Couch. Tape, wenn der Physio es empfahl, aber ohne religiöse Überhöhung. Und — nicht zu unterschätzen — gute, flache Hausschuhe mit Grip. All das sind keine Wunderwaffen, aber sie reduzieren die Reibung im Alltag. Und weniger Reibung heißt: mehr Energie für die Heilung.

Zurück in die Bewegung: zuerst leise, dann sicher

Nach drei, vier Wochen begann das Gelenk, wieder „hallo“ zu sagen, wenn ich es freundlich ansprach. 10 Minuten Ergometer, kaum Widerstand, nur Bewegung. Später 20, dann 30 Minuten. Aquajogging — nicht sexy, aber herausragend effektiv, wenn man Impact vermeiden muss. Spazierengehen mit Tempo, aber ohne Ehrgeiz. Erst als die Beuge-/Streckfähigkeit vollständig und schmerzarm war, erlaubte ich mir kurze, sehr langsame Laufintervalle: 1 Minute Traben, 2 Minuten Gehen, zehn Mal. Und dann diese wunderbare Erfahrung: Der Fuß setzt auf, die Achse hält, das Knie sagt „Okay“. Kein Jubel, kein „Ich bin zurück“ — nur dieses tiefe, zufriedene „funktioniert“. So wächst Vertrauen.

Parallel baute ich Kraft auf: Beinpresse im schmerzfreien Bereich, Step-ups auf niedriger Kiste, isometrische Wadenarbeit, exzentrische Übungen für die hintere Kette, Hüftabduktion mit Band. Ich achtete auf Achse, auf den Fuß, der nicht nach innen kollabiert, auf die Hüfte, die mitarbeitet. Einmal pro Woche testeten wir (Physio und ich) Bewegungen, die im Sport Alltag sind: Richtungswechsel, kleine Hops, kontrolliertes Landen. Keine Show, nur Aufbau.

Was ich über Plica in meinem Körper gelernt habe

Es gibt Lehrbuchwissen und es gibt persönliche Topografie. Bei mir war die Plica nicht bei den langen Läufen das Problem, sondern bei Positionen, in denen das Knie leicht gebeugt, die Stabilisation statisch und die Spannung lang gehalten war — Standwaage eben, aber auch „im Alltag stehen und auf ein Gespräch vertiefen“. Das hat mir später geholfen: Ich lernte, welche Positionen ich früh wieder zulassen konnte (flüssige Bewegung, zyklische Belastung) und welche ich erst später dosiert einbaute (lange isometrische Halte in mittlerer Beugung).

Auch interessant: Die 4-mm-Differenz aus der 3D-Analyse war weder Teufel noch Heiland. Mit Einlagen fühlte sich langes Stehen symmetrischer an, aber es heilte keine Entzündung. Einlagen sind Schrauben an der Statik, keine Löschdecke für ein Brennen im Gelenk. Hilfreich, ja — kausal, nein.

Rückschläge gehören zur Kurve

Es gab Tage, da war alles „fast normal“, und dann reichte ein blöder Tritt in ein Schlagloch, ein vergessener Rucksackriemen, eine unbedachte Drehung am Kopierer — und das Knie meldete sich zurück. Früher hätte mich das unverhältnismäßig geärgert. Diesmal nahm ich es als Information: Zu viel, zu früh oder zu unsauber. Dann wurde skaliert: Umfang runter, Technik hoch, Pause rein, Schlaf nachgeholt. Erstaunlich oft reichte das.

Arbeit, Wege, Sitzen — der unterschätzte Teil

Ich habe gelernt, dass 8 Stunden schlechtes Sitzen mehr kaputtmachen können als 45 Minuten gutes Training aufbauen. Also Schreibtischhöhe checken, Stuhl so einstellen, dass die Hüfte dem Knie Luft lässt, Bildschirm auf Augenhöhe, regelmäßige Mikrobewegungen. Ich stieg bewusst eine Station früher aus, um 10 Minuten locker zu gehen. Ich plante Wege so, dass ich Treppen vermeiden konnte, ohne Angst vor ihnen zu entwickeln. Und ich übte wieder das Gehen ohne drüber nachzudenken — denn irgendwann muss das Hirn lernen, dass das Knie keine Sonderrolle mehr braucht.

Mein kleines Reha-Manifest (ohne Zeigefinger)

Hätte ich all das vorher gewusst, hätte es manches leichter gemacht:

Früh klären, was Sache ist. Nicht aus Alarm, sondern aus Respekt vor der eigenen Zeit.
Kein Heldentum in der Akutphase. Schmerz ist ein Signal, kein Gegner.
Reha ist Training. Termin, Plan, Progression, Feedback — genau wie im Sport.
Mentale Hygiene. Sorgen ernst nehmen, aber nicht füttern. Dokumentieren hilft.
Schlaf ist Medizin. Kein Hack ersetzt 7–8 Stunden guten Schlaf.
Ernährung = Baustoff. Qualität schlägt Quantität.
Geduld ist eine Fähigkeit. Man kann sie trainieren, wie VO₂max.

Der große Bogen: von „Patient“ zurück zu „Athlet“

Irgendwann kippt die Identität zurück. Man ist nicht mehr „der mit dem Knie“, sondern wieder der, der läuft, radelt, schwimmt — und nebenbei ein Knie hat, das funktioniert. Das kam nicht in einem großen Moment, eher in vielen kleinen: als ich das erste Mal den Laufrucksack schnürte, ohne an den Inhalt der Schmerzschublade zu denken. Als ich an einer roten Ampel stand und merkte, dass ich das Bein entspannt irgendwo hinstellen konnte. Als ich merkte, dass ich länger als eine Stunde am Schreibtisch saß und nichts meldete sich. Das sind die wahren Zwischenzeiten, die in keiner Statistik auftauchen.

Ein Wort zur OP selbst (für alle, die den Schritt überlegen)

Arthroskopie ist technisch gesehen Routine, persönlich gesehen aber immer ein Ereignis. Bei mir war die Entscheidung richtig, weil die Plica mechanisch aktiv war und konservative Maßnahmen nicht griffen. Wichtig war der Prozess: Diagnose seriös, Zweitmeinung (auch wenn sie zur ersten passte), OP kurz, klar, ohne Nebengeräusche, Reha konsequent. Es gibt Fälle, in denen man konservativ bleiben sollte. Und es gibt die anderen. Der Satz „Das gehört hier nicht hin“ war bei mir der Anfang von „Okay, dann holen wir’s halt raus“.

Drei kleine Geschichten, die ich nicht vergessen werde

Die Postwanne in der Wechselzone — nur andersherum. Früher war die Wechselzone beim Triathlon der Ort, an dem ich auf minimalem Raum Ordnung brauchte. Nach der OP war mein Flur die Wechselzone: Krücken geordnet, Kühlakkus getauscht, Schuhe griffbereit, Treppenplanung. Disziplin ist nicht nur für Bestzeiten gut.

Der Mann im Aufwachraum, der sagte: „Atmen.“ Nicht, weil ich es vergessen hätte, sondern weil er mir damit den Rhythmus zurückgab. Es war eine Kleinigkeit. Aber sie hat mich durch die erste Stunde getragen.

Der Moment im Park, in dem ich zum ersten Mal wieder zwei Minuten am Stück trabte. Kein Strava-Highlight, kein Pace-Wert, bei dem man sich auf die Schulter klopft. Aber ich hätte eine Medaille nehmen können in dieser Sekunde.

Jetzt: Training mit anderer Intelligenz

Ich bin wieder im Training. Aber ich trainiere anders. Ich mache Stabi nicht, damit ich Stabi mache, sondern weil ich die Kette verstehe. Ich laufe nicht gegen das Knie, sondern mit ihm. Ich kann wieder Standwaage, aber ich nutze sie heutzutage fast wie einen Dialog: Wie stabil ist der Fuß? Trägt die Hüfte die Achse? Kann ich die Position halten, ohne „klemmen“ zu müssen? Wenn die Antworten gut sind, darf Tempo drauf. Wenn nicht, bleibt es bei Technik. Es fühlt sich reifer an, ohne spaßbefreit zu sein.

Schluss: Mein persönlicher Lockdown 2020 — und was bleibt

2020 war seltsam. Vieles war abgesagt, verschoben, neu verhandelt. In meinem kleinen Kosmos war es das Knie, das die Bühne betrat und sich weigerte, nach zwei Szenen wieder zu gehen. Ich habe gelernt, was es heißt, nicht die Kontrolle zu haben — und wie man sie Stück für Stück konstruktiv zurückerobert. Ich habe gesehen, wie wertvoll ein gutes Team ist: Arzt, Physio, Familie, Freunde. Ich habe verstanden, dass aussitzen selten bessert und dass beherztes Handeln, wenn es sinnvoll ist, oft der schnellste Weg zur Normalität ist.

Heute gehe ich durch die Tür, nehme Stufen, steige aufs Rad, laufe meine Runden, springe in See oder Becken — und vergesse manchmal komplett, dass da mal was war. Bis mich ein Schatten von damals streift, wenn ich an einer Ampel zu lange in dieser halben Beugung stehe. Dann lächle ich kurz, verlagere das Gewicht, richte mich auf — und gehe weiter. Nicht schneller als vorher, nicht heroischer, sondern bewusster.

My personal lockdown 2020 hatte viel mit Geduld zu tun — und mit dem Vertrauen, dass man auch dann vorwärtskommt, wenn der Schritt klein ist.

Und vielleicht ist das am Ende die beste Trainingslektion, die man aus so einer Zeit mitnehmen kann.


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